Wenn Liviane Friesen in wenigen Tagen nach Loma Plata zurückkehrt, erlebt sie die Abschlussfeiern an ihrer Schule mit, bevor die zweimonatigen Sommerferien beginnen. Die 28-Jährige, die in den vergangenen drei Wochen am Kuniberg Berufskolleg hospitiert hat, unterrichtet an einer deutschen Schule in ihrer paraguayischen Heimatstadt, die übersetzt Silberhügel heißt.
In Recklinghausen musste oder besser durfte die Spanisch-Lehrerin „Nachhilfe“ in Erdkunde geben: Paraguay liegt im Herzen Südamerikas. Das Land ist ungefähr so groß wie Deutschland und die Schweiz zusammen, hat aber nur sieben Millionen Einwohner. Die Kleinstadt Loma Plata liegt in der trocken Savannenlandschaft im Westen des Binnenstaates. Dort gibt es eine große deutsche Kolonie.
Paraguay gelte als Entwicklungsabend, erklärt die Pädagogin, spricht von Armut und Korruption, die sich auf das öffentliche Leben auswirken. Auf der anderen Seite sind ihre Landsleute gastfreundlich. „Niemals würden wir auf die Idee kommen, Touristen zum Nutzen unserer Landessprache zu drängen. Wir versuchen stattdessen, uns den ausländischen Besuchern anzupassen.“
Für Liviane Friesen, die ihre Schülerinnen und Schüler in den Klassen 9 bis 13 auf das Abitur vorbereitet, war das differenzierte Bildungsgangangebot auf dem Kuniberg etwas Neues. „Ich fand es interessant, die verschiedenen Optionen des Berufskollegs kennenzulernen“, berichtet sie in fast akzentfreiem Deutsch. Dass im Unterricht aktuelle politische Ereignisse aufgegriffen werden, kennt sie von daheim nicht.
Imponiert hat ihr, „wie digital am Kuniberg Berufskolleg der Unterricht abläuft“. Die Ausstattung der Klassen- und Fachräume sei viel moderner als an ihrer eigenen Schule; es werde viel weniger frontal gelehrt und gelernt. Besonders spannend fand sie den Spanisch- und den Englisch-Unterricht. In Paraguay haben die meisten Jugendlichen sehr gute Englisch-Kenntnisse, weil viele Filme in der Originalfassung mit spanischen Untertiteln gezeigt werden.
Ihren ersten Aufenthalt in Deutschland verdankt sie der PASCH-Initiative. Die Abkürzung steht für „Schulen: Partner der Zukunft“. PASCH will das Interesse und die Begeisterung für Deutschland wecken, junge Menschen zum Deutschlernen motivieren und ein weltweites Netzwerk von Schulen schaffen. Liviane Friesen nimmt vor allem positive Eindrücke mit: „Den Deutschen eilt der Ruf voraus, eher ruppig zu sein. Das habe ich gar nicht so empfunden.“
Vor der Rückkehr in die Heimat trifft sich Liviane Friesen, die sich als Gast bei Jutta von Lukowicz sehr wohl gefühlt hat, mit einer Kollegin in Stuttgart. Gemeinsam reisen sie nach Salzburg und Venedig, von wo aus der Flieger Richtung Paraguay startet.